Daniel Nerlich: Herr Siebert, Alvarez & Marsal (A&M) ist in den vergangenen Jahren in Deutschland stark gewachsen. Was haben Sie richtig gemacht?
Patrick Siebert: Wir haben unseren Fokus stets beibehalten: In komplexen Unternehmenssituationen den Unterschied auszumachen, das ist unser Anspruch und Ansporn. Ob bei Unternehmenskäufen oder -verkäufen, Börsengängen, deutlich gestiegenen Anforderungen an die Unternehmensführung aufgrund von Private Equity oder eben Geschäftsmodellveränderungen; hier konnten wir uns im vergangenen Jahrzehnt exzellent entwickeln.
Einer der Erfolgsgaranten war sicherlich das konsequente Einfordern höchster Qualitätsansprüche. Damit ist es uns gelungen, im Markt nicht länger „nur“ als Restrukturierungs-Boutique wahrgenommen zu werden. Was uns die meisten Mandaten jedoch attestieren: es ist die Restrukturierungs-DNA, die den Unterschied macht. Und darauf sind wir stolz.
Daniel Nerlich: In welcher Phase der Entwicklung und Expansion befinden Sie sich? Welche folgen noch?
Patrick Siebert: Ein Jahrzehnt der Niedrigzinsen liegt hinter uns. Das nächste Jahrzehnt wird zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen: erhöhte Anforderungen an die Unternehmensfinanzierung, der immense Wettbewerbsdruck im internationalen Vergleich, der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, politische Konflikte, um nur einige zu nennen. Um weiterhin als trusted advisor für Kapitalgeber, Vorstände und Geschäftsführer wahrgenommen zu werden, bauen wir massiv unsere sektor-sowie digital-spezifische Expertise aus.
„Allein in Deutschland haben wir im vergangenen Jahr 10 Managing Directors eingestellt, die alle davon überzeugt sind, in Kombination mit der A&M-DNA den Unterschied auszumachen.“
Wir investieren erheblich und werden weiter Marktanteile gewinnen.
Daniel Nerlich: Sie sprechen davon, dass Sie im Kontext von „Deals, Disruption, Distressed“ ein ganzheitliches Angebot machen möchten. Was bedeutet das?
Patrick Siebert: Die Zeiten werden immer volatiler und schnelllebiger. Auf der einen Seite verspüren Private Equity Fonds einen immense Investitionsdruck, auf der anderen Seite stellen disruptive Veränderungen ganze Branchen in Frage. Das sind enorme Herausforderungen für Eigenkapitalgeber und Unternehmenslenker, aber auch für uns als Sparringspartner. Globale Präsenz ist ein absolutes Muss. Due Diligence Service, forensische, bewertungs- und steuerrechtliche Beratung ebenfalls. Diese Ganzheitlichkeit braucht es, um auch zukünftig in komplexen Unternehmenssituationen als Problemlöser und Leader wahrgenommen zu werden.
Daniel Nerlich: Sie bieten alle genannten Services unter einer Marke an. Viele Ihrer Wettbewerber schaffen Sub-Brands und lagern Non-Core-Services, die zum Teil anders bepreist sind, bewusst aus. Welche Vorteile sehen Sie in Ihrem Single-Brand-Ansatz?
Patrick Siebert: Unser Brand steht für „Leadership, Action, Results“. Dafür sind wir bekannt. Und das differenziert uns vom Wettbewerb. Messbare Ergebnisse fordern eine nahtlose Zusammenarbeit, sowohl geografisch als auch fachlich. Dafür kann man nicht unabhängige Ländergesellschaften haben, die unter einem Brand firmieren, oder Non-Core Services, die anders bepreist werden. Es braucht einen Ansatz, der von einer (globalen) Partnerschaft verantwortet wird. Wo A&M draufsteht, ist auch A&M drin.
Daniel Nerlich: Sie konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche Menschen für A&M begeistern und neue Kolleginnen und Kollegen an Bord holen. Wie sind Sie im Recruiting vorgegangen und worauf legen Sie bei der Auswahl wert?
Patrick Siebert: Unser atemberaubendes Wachstum spricht sich im Markt herum. Es macht schlichtweg Spaß, für eine Professional Service Firm zu arbeiten, die Marktanteile gewinnt, im Angriffsmodus denkt und somit auch individuelle Karrieremöglichkeiten schafft. Über alle Grades hinweg ist entscheidend, dass der Cultural Fit gegeben ist; das ist uns besonders wichtig. Auf jüngeren Grades achten wir auf eine exzellente akademische Ausbildung, Zahlensicherheit, Denkvermögen und Teamfähigkeit. Auf den senioren Grades bewerten wir die Aussichten, ein „true A&Mer“ werden zu können.
Daniel Nerlich: Sie selbst waren schon einmal bei A&M, wechselten dann für knapp vier Jahre zu KPMG, wo Sie Partner wurden, und kehrten dann 2016 wieder zu A&M zurück. Warum zog es Sie nochmals in die bekannten Gefilde?
Patrick Siebert: Das war nicht geplant. Ich hatte eine fantastische Zeit bei KPMG; und pflege immer noch gute Kontakte. Was ich bei A&M schätze: ein sehr unternehmerisches Denken und Handeln, als Interim Manager für Kunden tätig sein zu können, Admin-Prozesse, die nur das Nötigste covern sowie die Tatsache, dass A&M keine Audit-Dienstleistungen anbietet.
Daniel Nerlich: Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Unternehmenskultur bei A&M?
Patrick Siebert: Ich habe noch keine Professional Service Firm kennengelernt, wo der Kunde so im Fokus steht. Als Managing Director investiere ich 100% meiner Zeit in konkrete Unternehmenssituationen; häufig auch nur in eine einzige. Den Wandel vor Ort beim Kunden sichtbar werden zu lassen; das treibt jeden von uns an. Ferner finde ich es besonders, dass unsere Unternehmenskultur es rekrutierten Managing Directors ermöglicht, bei uns erfolgreich zu werden. Und Karrieren zu ermöglichen, zu sehen wie unsere Teams wachsen und diverser werden, macht mich glücklich zu sehen.
Daniel Nerlich: An der Spitze von A&M stehen Bryan Marsal und Tony Alvarez II. Woran kann man spüren, dass A&M ein Familienunternehmen ist?
Patrick Siebert: Sechs core values [Inclusive Diversity, Integrity, Quality, Objectivity, Fun, Personal Reward], von den beiden Gründungspartnern vor Jahrzehnten zu Papier gebracht, werden von beiden noch heute im Alltag (vor-)gelebt; das macht was mit den Teams. Und sagt einiges über die Kultur unserer Firma aus.
Daniel Nerlich: Wenn Sie auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland blicken: Was sind Ihre Vorhersagen für den Standort für das Jahr 2024?
Patrick Siebert: Die Konjunkturprognosen für Deutschland sehen schwach aus. Deutschlands Geschäftsmodell als exportorientiertes Land mit günstiger Energie aus Russland und starken Absatzmärkten in China ist im Wandel. Doch die Transformation des deutschen Industrie- und Wirtschaftsstandortes hat gerade erst begonnen. Von der Politik braucht es klare Rahmenbedingungen, insbesondere bei der Energiepolitik.
„Persönlich wünsche ich mir, dass wir mit deutlich mehr Mut, Zuversicht und Schnelligkeit den Wandel angehen und wir als Gesellschaft wieder enger zusammenrücken.“
Daniel Nerlich: Herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Siebert!
Das Original-Interview wurde auf der CONSULTANT career lounge an dieser Stelle veröffentlicht: „Wo A&M draufsteht, ist auch A&M drin“ – Interview mit Patrick Siebert, Co-Head Germany bei Alvarez & Marsal – CONSULTANT career lounge