„Wir wollen einen europäischen Champion bauen mit globaler Reichweite“ – Interview mit Dr. Bernhard Braunmüller, Chief Sales Officer bei Wavestone

DANIEL NERLICH: Herr Dr. Braunmüller, was macht ein Chief Sales Officer im Kontext einer Unternehmensberatung?

DR. BERNHARD BRAUNMÜLLER: Ich würde das, Herr Nerlich, entlang von drei Ebenen beantworten wollen. Auf der Ebene der Governance, der Ebene der Strategie und der operativen Ebene. Aus einer Governance-Sicht ist ein Chief Sales Officer (CSO) für die Topline verantwortlich, für die Umsatzqualität und für den dauerhaften Markterfolg. Die Bottomline lässt sich aus einer solchen Position heraus nicht allein beeinflussen, da kommen viele andere Faktoren ins Spiel. Aus meiner Sicht springt ein CSO, der sich von der Umsatzqualität freispricht, jedoch zu kurz.

Deswegen ist mir immer wichtig, nicht nur für die Topline die Verantwortung zu tragen – es muss eine gesunde Topline sein, also hinreichend viel in der Bottomline ankommen, um dauerhaft am Markt erfolgreich zu sein. „Dauerhaft“ ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Wort. Denn obwohl wir jetzt an der Börse gelistet sind, glaube ich nicht an „Quartalsdenken“. Ich habe in meiner Laufbahn nie „dumme Dinge“ getan, um kurzfristig Impact zu haben. Ich wusste, dass mir dies im nächsten Quartal auf die Füße fallen würde.

Auf der Strategie-Ebene ist man integraler Bestandteil bei der Mitwirkung an der Unternehmensstrategie. Denn natürlich kann man in der Rolle nur erfolgreich sein, wenn man auch strategisch mit am Tisch sitzt. Und dort ist, aus meiner Sicht, ein Schwerpunkt das Thema Consulting Portfolio: In welche Branchen geht man, auf welche Themen setzt man? Welche Technologien, welche Länder? Wie gestaltet man den Go-To-Market, auf welche Kunden geht man zu? Denn wir wissen alle: Wenn sie versuchen, einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen, dann können sie der beste Verkäufer sein. Es gelingt ihnen vielleicht ein- oder zweimal, aber nicht tausendmal. Das heißt, ein CSO muss strategisch mitwirken, dass ein Markt- und Lieferalignment, wie ich das nenne, gegeben ist.

Ein dritter Punkt: Sicherstellen, dass Sales Bestandteil der DNA einer Beratung ist. Es gibt Beratungen, da ist „Sales“ fast ein Unwort. Wenn man einen Verkäufermarkt hat, also wenn die Märkte alle bestens funktionieren, fällt eine solche Einstellung nicht so auf. Aber in dem Moment, wo man sich in einem Käufermarkt befindet, also in Krisen wie derzeit, merkt man den Unterschied sehr deutlich. Deswegen muss ein CSO sicherstellen, dass Sales Teil der DNA der Beratung ist.

Auf der operativen Ebene geht es in meiner Rolle darum, leistungsstarke Sales-Teams zu entwickeln, effiziente und effektive Sales-Prozesse aufzubauen sowie die entsprechenden Tools und Templates zu entwickeln – also alles, was man im Vertrieb so benötigt.

Zuletzt kam es zur Fusion von Q_PERIOR und der französischen Beratung Wavestone. Können Sie Ihre Einschätzung teilen, wie es dazu kam?

Das ist eine spannende Frage, die wir momentan sehr oft hören. Ich würde vorausschicken wollen, dass beide Unternehmen aus einer Position der Stärke agiert haben. Das heißt, es gab keinerlei Druckpunkte. Weder Wavestone, noch Q_PERIOR hatten eine Notwendigkeit, die Flucht nach vorne antreten zu müssen.

Wir wollen mit dieser Fusion strategisch etwas erreichen, was zusammen besser realisierbar ist, als wenn beide Parteien es allein angehen würden. Für uns als vormalige Q_PERIOR war die Internationalisierung ein großes Thema. Obwohl wir schon als Q_PERIOR in 11 Ländern aktiv waren, besaßen wir in UK und Nordamerika einfach nicht die kritische Masse. In unserer Branche ist es nicht trivial, von Kontinental-Europa aus in UK oder Nordamerika zu expandieren. Und in Asien waren wir gar nicht vertreten.

Zum Zweiten wollten wir unsere Schlagkraft erhöhen. Wir wollten in allen für eine Unternehmensberatung relevanten Parametern eine kritische Größe entwickeln – insbesondere bei der Anzahl an Beratern und Beraterinnen sowie beim Consulting-Portfolio in der Breite und Tiefe. Außerdem wollten wir bei unserem Drive, der uns von jeher sehr wichtig ist, auf das nächste Level vorrücken.

„Wir wollen einen europäischen Champion bauen mit globaler Reichweite.“

Das klingt vielleicht wie ein typischer Werbeslogan – aber das ist es wirklich, was wir beabsichtigen. Die Welt der großen Consulting-Player ist sehr angelsächsisch, respektive nordamerikanisch geprägt. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Wir sind überzeugt, dass geopolitisch Platz für eine Beratung mit europäischen Wurzeln ist. Da sehen wir einen großen Bedarf bei unseren Kunden und für uns die Chance.

Wie viel der ursprünglichen Kultur wird vermutlich nach der Fusion erhalten bleiben? Was für neue Akzente sind zu erwarten?

Die Kulturen beider Firmen sind tatsächlich sehr ähnlich. Viele Gesprächspartnerinnen und -partner im DACH-Raum sind mit Blick auf die französische Company überrascht, wenn ich dies so feststelle. Das wird offensichtlich von ganz vielen nicht erwartet – Wavestone widerlegt aber das Stereotyp, das viele von französischen Unternehmenskulturen haben!

Bei beiden Firmen steht der Mensch im Mittelpunkt – sowohl auf Kunden- und Geschäftspartnerseite als auch insbesondere bei unseren Mitarbeitenden. Wir haben im Vergleich zu vielen anderen Mitbewerbern äußerst flache Hierarchien. Natürlich gibt es Hierarchien, aber die sind flach und durchlässig. Beide Firmen sind zudem sehr kunden- und wachstumsorientiert. Beide Companies haben einen inneren Drive und einen hohen „Level of Ambition“.

Das war einer der zentralen Gründe, warum wir von Q_PERIOR-Seite diese Fusion letztlich beschlossen haben. In unserer Historie haben wir nie eine Fusion vollzogen, wo wir nicht das Gefühl hatten, dass diese zentralen Dinge nahe genug beieinander sind.

Gab es denn zuvor bereits Kollaborationen oder Partnerschaften zwischen Q_Perior und Wavestone?

Tatsächlich hatten wir seit dem Jahr 2019 eine strategische Partnerschaft etabliert, wir kannten uns somit über viele Jahre. Es haben sich berufliche, menschliche, persönliche Beziehungen gebildet und dadurch ist sehr viel Vertrauen entstanden. Von außen mag es wie ein kalter, schneller Merger aussehen – aber in Wirklichkeit hat es im positiven Sinne jahrelang Wurzeln geschlagen.

In den letzten Monaten haben wir sehr intensiv an unseren Kernwerten gearbeitet. Und obwohl dies in einer Merger-Situationen eine sehr schwierige Aufgabe ist, fiel uns das relativ leicht. Wir haben jetzt drei Kernwerte: Energiegeladen, verantwortungsbewusst und gemeinsam – zusammengefasst unter dem Label: „The positive way“.

Diese Werte besaß Wavestone übrigens schon vorher. Ich fand das immer brillant und war oft neidisch, dass uns das nicht eingefallen ist. Und jetzt haben wir den gemeinsam, was mich persönlich natürlich sehr freut.

Q_PERIOR war 2011 aus dem Zusammenschluss von ESPRiT Consulting, agens und paricon entstanden. Seitdem folgten weitere Fusionen mit der P5group, Inspiricon, FMC und der FIS-SST. Sie selbst konnten die wichtigsten Meilensteine der Unternehmensgeschichte miterleben. Welche Lehren ziehen Sie aus diesen unternehmerischen Entwicklungen der vergangenen Jahre?

Die jeweiligen Beratungen, die letztlich Q_PERIOR geformt haben, wären für sich allein niemals in diese Position vorgedrungen, die wir zusammen erreicht haben. Wir haben seit vielen Jahren Rang drei der Lünendonk-Liste der führenden deutschen Managementberatungen innegehabt. Aktivitäten in 11 Ländern, weit über dreißig Nationalitäten, über €300 Millionen Umsatz – da gibt es in Deutschland nicht mehr viele Beratungen, die solche Zahlen ausweisen können. Von den einzelnen Ursprungsfirmen sind auch die meisten Partnerinnen und Partner weiterhin an Bord, was auch für den Erfolg spricht. Wir sind also sehr überzeugt, dass diese Fusionen absolut entscheidend waren, damit wir dieses hohe Niveau erreichen konnten.

Die zweite Lehre, die ich mitnehmen konnte: Jeder Schritt war eine Bereicherung! Wir konnten Altbewährtes – in einem positiven Sinne – in Frage stellen. Wir konnten den Staub von den Schultern bürsten, weil wir plötzlich mit neuen Prozessen, neuen Blickwinkeln, neuen Inhalten konfrontiert waren. Das hat uns immer sehr gutgetan. Das hält eine Beratung wach und in der Unternehmensberatung muss man stets wach bleiben. „Complacency“ [Selbstzufriedenheit] ist insbesondere im Consulting sehr gefährlich, weil auch unsere Kunden sehr kompetent sind und sich ständig weiterentwickeln. Eine Beratung muss immer Thought Leader sein, muss immer einen Vorsprung haben, weil ein Kunde sonst keinen Grund mehr hat, eine Beratung ins Haus zu holen.

…sonst wird man zur verlängerten Werkbank und Commodity…

Richtig. Und das möchte niemand in der Beratung. Menschen werden Beraterinnen und Berater, weil sie Beiträge leisten und nicht verlängerte Werkbank sein wollen.

Und schließlich sehe ich noch einen dritten Punkt, den ich aus den vergangenen Jahren mitnehme: Es muss ein Fit bei den Menschen und Kulturen vorhanden sein. Und dies nicht nur im Management, sondern in den Organisationen insgesamt. Wir haben stets darauf geachtet, dass die Firmenstrategien und die langfristigen Ambitionen zusammenpassen. Es sollte eine Kompatibilität im Portfolio vorhanden sein: Wenn die eine Seite komplett wachstumsorientiert ist und die andere Seite eine kleine Boutique bleiben möchte, wird es schwierig. Wenn man entlang der genannten Dimensionen nicht zueinander passt, entwickeln sich Verzerrungen, die über die Zeit schaden. Wann immer wir in solche Gespräche rund um Akquisitionen oder Fusionen einsteigen, achten wir auf diese Aspekte – das ist zwischenzeitlich zu unserer Blaupause geworden.

Sie waren für Q_PERIOR tätig, wechselten dann in eine Top-Industrieposition und kehrten schließlich zu Q_PERIOR zurück. Was ließ Sie Ihren Weg bei Ihrem alten Arbeitgeber fortsetzen?

Das ist richtig, das passiert nicht allzu oft. Auch wenn ich bei dem globalen Hightech-Industrieunternehmen viel lernen konnte, hat mich das Consulting persönlich nie losgelassen.

„Ich bin ein bekennender Liebhaber unserer Branche.“

Es gibt wenig spannendere berufliche Felder als die Beratung: Consulting ist schnell und innovativ, man trifft sehr viele leistungsstarke und ambitionierte Menschen. Auch wenn es wie ein Werbeslogan klingen mag, aber es ist wirklich wahr: Für mich war immer klar, sollte ich in die Beratung zurückkehren, würde ich nur zu Q_PERIOR gehen. Ich habe zur damaligen Zeit tatsächlich mit keinem anderen Beratungshaus gesprochen, auch wenn mir viele Anfragen vorlagen.

Und warum ist das so? Weil Q_PERIOR für mich eine sehr seltene Kombination bestehend aus einem sehr hohen „Level of Ambition“ sowie einer großartigen Professionalität bietet. Diese Professionalität ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass viele unserer Mitarbeitenden, auch die Gründungspartner, von den großen Beratungshäusern kommen. Gleichzeitig bringen wir aber auch die Agilität einer mittleren Unternehmensgröße mit. Wir sind kein Konzern mit 300.000, 500.000, 700.000 Menschen. Wir haben weiterhin eine hohe Beweglichkeit, was ich als Unternehmer für sehr wichtig erachte. Ich war lange Zeit selbst Kunde von Beratungen und konnte damals sehr deutlich wahrnehmen, ob ich mit einem großen Beratungskonzern arbeite oder mit einem beweglichen Mittelständler.

Außerdem steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt. Es gab einmal eine Zeit, wo den Beratern eine gewisse arrogante Haltung nachgesagt wurde. Ich glaube, dieser Vorwurf war nicht ganz unbegründet. Und das ist etwas, womit ich gar nicht gut klarkommen würde. Von oben herab zu kommunizieren, mag ich überhaupt nicht – mir ist Augenhöhe sehr wichtig. Und da ist Q_PERIOR für mich das ideale Umfeld, das meinen Werten entspricht.

Und was ich schließlich auch nicht verheimlichen kann: Ich habe Q_PERIOR mit aus der Taufe gehoben. Und wenn man ein „Baby“ in die Welt gesetzt hat, dann kehrt man aus emotionaler Sicht umso lieber wieder zueinander zurück.

Wenn man sich Ihre akademischen Wurzeln ansieht, fällt ins Auge, dass Sie sowohl Informatik als auch Psychologie studiert und zusätzlich einen MBA absolviert haben. Außerdem haben Sie zahlreiche Zusatzzertifikate, beispielsweise im Bereich Projektmanagement, SAFe oder IT Service Management. Sind Sie „nur“ ein neugieriger Mensch oder wie erklären sich diese vielfältigen Abschlüsse?

Also ich bin definitiv ein sehr neugieriger Mensch, was für einen Berater vermutlich keine falsche Eigenschaft ist. Ich empfinde viel Freude am Lernen und an der persönlichen Weiterentwicklung. Einer meiner Lieblings-Hashtags ist #LifelongLearning. Jeder Mensch tut gut daran, sich immer wieder zu erneuern, sich immer wieder weiterzubringen und nicht zu sehr Staub anzusetzen. Das gilt insbesondere in der modernen Welt mit dem, was um uns herum gerade passiert: Artificial Intelligence, Cybersecurity, Sustainability…Wer da als Unternehmensberater nicht mitgeht, wird es in der Zukunft schwer haben.

Und ich habe tatsächlich eine große Liebe zur Academia. Aber ich habe auch beruflich einen Weg genommen, der das begründet: Am Anfang meiner Karriere war ich, was man wohl „Hardcore-IT-ler“ nennt. Ich war über viele Jahre auf der Ebene von Netzwerken, Betriebssystemen, Datenbanken sehr „tief in der Maschine drin“, wie der Informatiker zu sagen pflegt. Über meine Promotion in einem Bereich, den man heute als „Data Science“ bezeichnen würde, habe ich dann das erste Mal konkrete Anwendungsgebiete im Kontext von Fahrzeugbau und Medizintechnik kennengelernt. Das fand ich so spannend, dass ich in die Strategieberatung gegangen bin.

Dort habe ich sehr schnell festgestellt, dass ich zwar ein sehr gut ausgebildeter Technologe war, aber viel zu wenig über Wirtschaft, BWL und Dinge dieser Art weiß. Für mich war sehr schnell klar, ich würde diese Lücke schließen müssen, um in der Welt weiterzukommen. Das war mein Trigger für den MBA, den ich schließlich in Warwick in England absolviert habe.

„Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wenn ich nicht den MBA gemacht hätte.“

Eigentlich dachte ich zu dem Zeitpunkt, dass ich mir nun alles, was ich brauchte, angeeignet hätte. Doch als Berater konnte ich viele Situationen miterleben, in denen Kunden Entscheidungen trafen, die weder betriebswirtschaftlich noch technologisch nachvollziehbar waren. Da kam die Heureka-Erkenntnis: Das ist der Faktor Mensch! So entwickelte sich der Wunsch, Menschen in psychologischer und soziologischer Sicht besser verstehen zu wollen, und ich absolvierte einen Master in diesem Themenfeld.

Business, Technologie und Mensch – ein Dreieck, das ich zwischenzeitlich sehr gut abdecke. Und weil mir Lernen leichtfällt und mir Weiterbildung Spaß macht, war das für mich eine großartige Entwicklung.

Wie gut sprechen Sie Französisch?

(Lacht) Leider nicht gut. Unsere Firmensprache bei Wavestone ist jedoch Englisch. Natürlich interagieren die deutschen Kolleginnen und Kollegen, die Französisch sprechen, und Franzosen, die Deutsch sprechen, umso leichter miteinander. Ich werde daher definitiv noch in meine Sprachkompetenz investieren. Aber tatsächlich habe ich das Thema ein bisschen nach hinten geschoben, weil momentan einfach andere Dinge wichtiger waren. Und wenn man ehrlich ist: Mit Englisch kommen wir super klar.

Sie engagieren sich auch im Kontext von Aufsichtsräten, sind selbst Aufsichtsratsvorsitzender und Mitglied eines Advisory Boards. Welche Empfehlung haben Sie für Beraterinnen und Berater, die selbst gerne Aufsichtsrat werden möchten – wie kann eine solche Rolle erreicht werden?

Ich sehe hier drei Punkte: Zunächst einmal ist da die Ausbildung. Ich habe mich bewusst entschieden, eine fundierte Ausbildung bei der Board-Akademie zu machen. Ich bin überzeugt, dass man als Aufsichtsrat oder Beirat die Kompetenzbereiche und Themengebiete gut verstehen sollte. Man sollte auch wissen, welche Verantwortung man trägt – als Aufsichtsrat trägt man ja auch das Risiko der formalen Haftung.

Als Zweites sollte man als Berater und Beraterin Netzwerke aufbauen und pflegen; man sollte diesem Netzwerk über einen längeren Zeitraum aufzeigen, dass man Unternehmenswerte steigern kann. Das ist die beste Werbung. Letztendlich sucht die Eigentümer- und Gesellschafterseite ja Aufsichtsräte und Beiräte, die Unternehmenswerte steigern, entwickeln und absichern können.

Und der dritte Punkt: Am Anfang sollte man nicht auf die Bezahlung schauen. Um in dieses Feld einzusteigen, muss man zunächst einmal erste Schritte gehen und sollte nicht gleich nach viel Geld schreien. Man sollte der Welt erst einmal zeigen, dass man in der Rolle gut performt. So habe ich das damals auch gemacht. Über die Zeit erhält man dann Anfragen, da sich herumgesprochen hat, dass man gut ausgebildet ist und ein exzellentes Netzwerk besitzt. Man sollte wissen, dass man sich einen starken, performanten Player in die eigenen Reihen holt, der breit blicken kann, zugleich Themenschwerpunkte mitbringt, der Menschen zusammenbringen kann, der authentisch ist und für Integrität steht. Das ist es, was Eigentümer wollen.

Letzte Frage: Was war in Ihrer bisherigen Karriere die mutigste Entscheidung, die Sie getroffen haben?

Also, ich kann ihnen auch gerne zwei anbieten.

Sehr gerne.

Unser aktueller Wavestone-Merger ist trotz unserer tiefen inneren Überzeugung ein sehr mutiger Schritt – allein aufgrund der Größenordnung des Deals. Wenn ich auf meine Karrierelaufbahn schaue, ist dieser Merger sicherlich unter den Top 3 meiner mutigsten Entscheidungen.

Eine zweite Entscheidung betraf einen operativen Punkt: In einem globalen, sehr komplexen Organisationsprogramm, an dem ich als Berater beteiligt war, folgte ich einer sehr weitreichenden und damit riskanten Empfehlung einer Kollegin. Und ich tat dies, obwohl die Empfehlung aus meiner damaligen Sicht inhaltlich nicht hinreichend nachvollziehbar war. Wenn das schief gegangen wäre, hätte es große Konsequenzen gehabt. Meiner Intuition zu folgen, war der richtige Schritt und alles hat gut funktioniert.

Was war der Grund, weshalb Sie dem Rat Ihrer Kollegin folgten?

Vertrauen. Vertrauen ist ein sehr komplexes human-psychologisches Konstrukt, das sich aus vielen Quellen speist. Ich habe der Kollegin größtes Vertrauen geschenkt, da sie enorm viel Erfahrung hat, ein sehr transparenter, offener Mensch ist und sie einfach diese Überzeugung hatte: ‚Das wird funktionieren‘. Ich habe in ihr Business Judgment vertraut und in sie als Person. Aber sie können sich vorstellen, dass ich als Hauptverantwortlicher für das Programm erst einmal zwei Nächte darüber schlafen musste, weil die Konsequenzen schon enorm gewesen wären. Und bei einem sehr Logik-orientierten Menschen wie mir gehen da erst einmal alle Alarmanlagen an. Das hat mich Überwindung gekostet, trotz des Vertrauens. Für mich ein entscheidender Moment, den ich nicht vergessen werde.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Braunmüller!


Das Original-Interview wurde auf der CONSULTANT career lounge an dieser Stelle veröffentlicht: „Wir wollen einen europäischen Champion bauen mit globaler Reichweite“ – Interview mit Dr. Bernhard Braunmüller, Chief Sales Officer bei Wavestone